Ewiger Erster Oktober   


Der Wetterbericht für Europa
meldet uns dies Phänomen:
Ewiger erster Oktober –
Sommer will einfach nicht gehn.

Die Welt hat sich vollgesogen
und atmet noch immer August.
Es leiden Meteorologen
an Autoritätsverlust.

Das Dorf und das Landvolk erfasst der
Verdacht, daß das Jahr uns entglitt.
Derweil knalln Kastanien aufs Pflaster
und Eicheln knacken im Tritt.

Vielleicht geht's ja dieses Jahr ohne Herbst 
und, dahinter, 
ohne Winter?

Stroh und Heu lagern im Schober,
die Speicher für Korn sind gefüllt.
Und ewiger erster Oktober
hat alles mit Wärme umhüllt.

Es brüteten noch mal die Tauben.
Den Kranich zieht gar nichts hier weg.
Am Wandspalier platzen die Trauben;
die Amseln bedienen sich keck.

Am Dorfweiher planschen die Blagen
Keiner warnt: Du holst dir den Tod!
Die Jacken, bisher ungetragen,
haben weiterhin Ausgehverbot.

Vielleicht geht ja dieses Jahr ohne Herbst 
und, dahinter, 
ohne Winter?

Kürbisse schmücken Altäre,
so üppig geformt und so bunt.
Gäb's einem zu danken, so wäre
allein schon die Farbpracht ein Grund.

Es dämmert um dreiviertel Sieben –
So früh kann's doch unmöglich sein.
Der Sommer ist hängengeblieben
ein kurzer Tag kriegt den nicht klein!

Ach, bringen Sie mir noch, Herr Ober,
von dem Federweißen ein Glas.
Der ewige erste Oktober,
er zeigt, daß die Zeit uns vergaß.

Vielleicht wird's ja dieses Jahr ohne Herbst 
einfach Winter – 
und nichts dahinter?




(Holger Saarmann)

© by Holger Saarmann, September 2017



Everlasting 1st of October    


T
he weather report for Europe 
tells us this phenomenon:
Everlasting first of October

Summer just doesn't want to go.

The world has become soaked 
and is still breathing August.
Meteorologists suffer 
from loss of authority.

The village and the peasantry suspect 
that the year slipped from us.
Meanwhile, chestnuts pop on the pavement
and acorns crack under your feet.


Maybe this year will work out without fall 
and, behind it, 
without winter?

Straw and hay are stored in the barn, 
the stores for grain are filled.
And everlasting first October 
has wrapped everything with warmth.

The pigeons brooded again.
The cranes see no urge to leave.
The grapes burst at the trellis;
the blackbirds perkily help themselves.

The brats splash about at the village pond,
Nobody warns: The cold will kill you!
The jackets, unworn until now,
continue to have curfew.

Maybe this year will go without fall 

and, behind it, 
without winter?

Pumpkins decorate altars, 
so lushly shaped and so colorful.
If one was to give thanks to, 
the blaze of colour alone would be reason enough.

It dawns at a quarter to seven -
It can impossibly be that early!
The summer has got stuck. 
One short day won't bring it to its knees!

Oh waitress, please bring me 
another glass of that young wine!
The everlasting first of October, 
it shows that time forgot us.

This year, maybe, without autumn, 
it will simply be winter 

and nothing behind it? 




(Holger Saarmann)

© by Holger Saarmann, September 2017


 



>> CD "Phantomzeit"





Die Melodie zu "Ewiger erster Oktober" erlebte ihre Premiere für "Zeit ist", ein halbgares Hausaufgaben-Lied für den Geschmacksverstärker im April 2017, zum Motto: "Ach, du liebe Zeit". Auch mein Lied "Phantomzeit" stellte ich für jene Ausgabe fertig. Außerdem gelang mir die Vertonung des Freikartengewinnspiel-Textes von Kollege Tobias Thiele wohl so überzeugend, daß dieser ihr später sogar auf "Alles kann anders sein" (2018) die Album-Ehre erwies. 
Den "ewigen 1. Oktober" präsentierte ich in dieser Form erstmals im September-Geschmacksverstärker 2017.





                                       




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