Under
der Linden
Under
der linden
an
der heide,
dâ
unser zweier bette was,
dâ
mugt ir vinden
schône
beide
gebrochen
bluomen unde gras.
Vor
dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône
sanc diu nahtegal.
Ich kam gegangen
zuo
der ouwe:
dô
was mîn friedel komen ê.
dâ
wart ich enpfangen,
hêre
frouwe,
daz
ich bin sælic iemer mê.
Kuster
mich? wol tûsendtstunt:
tandaradei,
seht
wie rôt mir ist der munt.
Dô het er gemachet
alsô
rîche
von
bluomen eine bettestat.
des
wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt
iemen an daz selbe pfat.
bî
den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken
wâ mirz houbet lac.
Daz er bî mir læge,
wessez
iemen
(nu
enwelle got!), sô schamt ich mich.
wes
er mit mir pflæge,
niemer
niemen
bevinde
daz, wan er unt ich,
und
ein kleinez vogellin:
tandaradei,
daz
mac wol getriuwe sîn.
(Text:
Walther
von der Vogelweide,
Musik:
Holger Saarmann,
2001/02)
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Unter
der Linde
Unter
der Linde
auf
der Heide,
wo
unser beider Lager war,
da
könnt ihr
sorgsam
gepflückt
Blumen
und Gras finden.
Vor
dem Wald in einem Tal,
tandaradei,
sang
lieblich die Nachtigall.
Ich kam gegangen
zu
der Aue,
und
mein Liebster war schon da.
Dort
wurde ich empfangen,
heilige
Jungfrau!,
daß
ich für immer glücklich bin.
Ob
er mich küsste? Wohl tausendmal:
tandaradei,
seht,
wie rot mein Mund ist.
Da hatte er bereitet,
so
prächtig,
aus
Blumen ein Bett.
Darüber
wird noch
von
Herzen lachen,
wer
denselben Pfad gegangen kommt.
An
den Rosen mag er wohl
-
tandaradei -
erkennen,
wo mein Kopf gelegen hat.
Daß er bei mir lag,
wüßte
das jemand
-
behüte Gott! - , so schämte ich mich.
Was
er mit mir tat,
niemals
soll es irgendwer erfahren,
als
er und ich,
und
ein kleines Vöglein,
tandaradei,
das
wird wohl verschwiegen sein.
(Übersetzung:
Holger Saarmann)
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Under
the lime-tree
Under
the lime-tree,
by the
heath,
where
the two of us had our bed
There
you may find
carefully
broken
flowers and grass.
By
the woods in a valley -
Tandaradei!
Beautifully
sang the nightingale.
When
I came
to that
mead,
my
friend was already there
and
I was welcomed,
Holy Mary,
to
be blessed forever more.
Did
he kiss me? A thousand times:
Tandaradei,
See
how red my lips are.
There
he had made
so
splendid,
a
bed of flowers.
Anybody
may
laugh at
it in his heart,
if
he came along the same path.
By
the roses he may -
tandaradei!
-
tell,
where I
laid my head.
If anybody knew
that he lay with
me,
-
God forbid!
- I would be ashamed.
The
things he did to me,
nobody ever
will know,
except him and me
and
a tiny little bird –
Tandaradei!
–
that
may be discreet.
(Lyrics:
Walther
von der Vogelweide,
Music:
Holger Saarmann, 2001/02)
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Mit
Minnesang wird meine Musik gerne assoziiert, obwohl "Under der
Linden" das einzige Lied in meinem Repertoire ist, für
welches dieser Begriff halbwegs zutrifft. Meine romantische Art der
Vertonung wäre Walther und anderen
Minnesängern musikalisch wohl kaum verständlich gewesen. Ebenso
wirkt authentische Musik des Mittelalters auf heutige Ohren eher
schräg. Erst ab ca. 1400 wurde in Europa Musik komponiert, die mit
unserem harmonisch geprägten Musikempfinden vereinbar ist.
Gerne
wird heute auch Renaissance-Musik als "mittelalterlich"
verkauft, selbst von Ensembles mit klassisch-seriösem Anspruch. Das
ist aus zwei Gründen nachvollziehbar: Erstens gibt es nun mal mehr
Mittelalter-Feste als Renaissance-Feste, zu denen man engagiert werden
kann, und zweitens ist das Mittelalter für die meisten Menschen
ohnehin die Zeit von Christi Geburt bis 1900. Wahrscheinlich könnte
ich mein Publikum verzehnfachen, wenn ich das "Lied
für die Pariser Commune" im Minnesänger-Kostüm
vortragen würde ...
Walther von der Vogelweide (ca. 1170-1230)
sprach
und dichtete mittelhochdeutsch (wenn auch umstritten ist, wie
"hochdeutsch" seine Sprache tatsächlich war; ein
Standarddeutsch gab es nicht), das war sowohl Vorläufer des heutigen
Deutsch als auch des Jiddischen. Etwa 200 Jahre vor Walthers Geburt
hatte die christliche Kirche im Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation erstmals zu Judenverfolgungen aufgerufen. Die Nachkommen
deutscher Flüchtlinge im Ausland sprachen weiterhin die Sprache ihrer
Vorfahren und entwickelten sie
–
bei fehlendem Kontakt zum Mutterland
–
auf eigene Weise weiter.
Der Judenhass im Mittelalter (Antijudaismus, der religiöse Vorläufer
des eher rassistisch begründeten Antisemitismus) war auch eine Triebfeder
für die christlichen Kreuzzüge (ab 1096). Als Kaiser Friedrich II in
Palermo 1227 zum 5. Kreuzzug gen Jerusalem aufrief, da erhielt er
künstlerische Unterstützung von Walther von der Vogelweide.
Um das romantische Bild der Minnesang-Epoche, an dem ich durch meine "Under
der Linden"-Vertonung mitmale, zu korrigieren, gebe ich
auf dieser Seite
– trotz inneren Widerstrebens
–
zwei weitere Texte Walthers
wieder: "Deutschlands Ehre"
(wo sich möglicherweise Hoffmann von Fallersleben zum "Lied
der Deutschen" inspirieren ließ) und das "Palästinalied"
für die Pilger des 5. Kreuzzugs.
My
repertoire is sometimes associated with minnesong, although "Under
der Linden" is the only song in my repertoire that comes
close to that genre. My romantic way of setting to music would rather have been unintelligible to Walther
and his fellow-minstrels. In return, authentic music of the Middle
Ages sounds rather dissonant to our ears. Music which is compatible to
our music perception of harmonical stamp, was not composed before
1400.
In
our days, also Renaissance music is being sold as "medieval",
even from ensembles with a classic serious claim. That is
understandable for two reasons: First is that there are more Middle
Age festivals than Renaissance festivals to play music for cash, and
second is that to most people, the Middle Ages reach from Christ's
birth to 1900. I guess my audience would increase tenfold if I played
the "Song for the Paris
Commune" in a medieval costume ...
Walther von der Vogelweide (ca. 1170-1230)
spoke
and wrote Middle High German,
which was the precursor of modern German as well as Yiddish. About 200
years before Walther was born, the Christian Church of the Roman
Empire Of German Nation first proclaimed Jew-baiting. The descendants
of German refugees abroad carried on speaking their forefathers'
language and
–
for the lack of contact to the motherland
–
developed
it in their own way. (Topic of my former programme
"Fremdwärts wider Willen").
The medieval hatred against Jews (anti-judaism, the religios
forerunner of rassist founded anti-Semitism) was also the mainspring
for Christian crusades (from 1096 on). When in 1227, Emperor Friedrich II in
Palermo proclaimed the 5th crusade to Jerusalem, he was
artistically supported by ... Walther von der Vogelweide: He wrote his
"Palästinalied" ("Palestine
Song"), a miserable botch, stating that Christians alone have the
rightful claim to possess the "Holy Land".
To correct the romantic image of the minstrel era that I contributed
to with my version of "Under der Linden", I
publish two rather deterrent texts from Walther's hand on this page. "Deutschlands
Ehre" sounds like having inspired the words of the German
national anthem, written by Hoffmann von Fallersleben. The other one
was dedicated to the pilgrims of the 5fth crusade.
Walther
von der Vogelweide
Deutschlands
Ehre
Ich
han Lande vill gesehen,
Und
nahm der besten gerne wahr;
Uebel
müße mir geschehen,
Konnte
ich je mein Herze bringen dar,
Daß
mir wollte wohl gefallen fremde Sitte,
Was
hülfe mich obe ich viel rechte stritte,
Teutsche
Zucht gat vor ihn allen.
Von der Elbe bis an den Rhein,
Herwieder
bis an das Unger Land,
Da
mögen wohl die Besten sein,
Die
ich in der Welte han erkannt;
Kann
ich rechte schauen gut Gelaß und Liep,
Sam
mir Gott! So schwur ich wohl, daß hie die Wib
Besser
sind, dann ander Frauen.
Teutsche
Mann sind wohl gezogen,
Recht
als Engel sind die Weib gethan;
Wer
sie scheltet, der ist gar betrogen,
Ich
enkan sein anders nicht verstan.
Tugend
und reine Minne, wer die suchen will,
Der
soll kommen in unser Land, da ist Wunne viel;
Lange
müße ich leben darinne.
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Walther
von der Vogelweide
Palästinalied
Allerêrst
lebe ich mir werde,
sît mîn sündic ouge siht
Daz reine lant und ouch die erde
den man sô vil êren giht.
Mirst geschehen des ich ie bat,
ich bin komen an die stat
dâ got mennischlîchen trat.
Schoeniu
lant rîch unde hêre,
swaz ich der noch hân gesehen,
Sô bist duz ir aller êre.
waz ist wunders hie geschehen!
Daz ein magt ein kint gebar
hêrre über aller engel schar,
was daz niht ein wunder gar?
Hie
liez er sich reine toufen,
daz der mensche reine sî.
Sît liez er sich hie verkoufen,
daz wir eigen wurden frî.
Anders wæren wir verlorn.
wol dir, sper kriuz unde dorn!
wê dir, heiden! deist dir zorn.
Hinnen
fuor der sun zer helle
von dem grabe, datr inne lac.
Des was ie der vater geselle,
und der geist, den niemen mac
Sunder scheiden: êst al ein,
sleht und ebener danne ein zein,
als er Abrahâme erschein.
Do
er den tievel dô geschande,
daz nie keiser baz gestreit,
Dô fuor er her wider ze lande.
dô huob sich der juden leit,
Daz er hêrre ir huote brach,
und man in sît lebendic sach,
den ir hant sluoc unde stach.
In
diz lant hât er gesprochen
einen angeslîchen tac,
Dâ diu witwe wirt gerochen
und der weise klagen mac
Und der arme den gewalt
der dâ wirt an ime gestalt.
wol im dort, der hie vergalt!
Kristen
juden unde heiden
jehent daz diz ir erbe sî:
Got müez ez ze rehte scheiden
durch die sîne namen drî.
Al diu welt diu strîtet her:
wir sîn an der rehten ger,
reht ist daz er uns gewer.
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Hochdeutsche
Übersetzung:
Jetzt
erst erfahre ich mein Leben als wesentlich, da mein sündiges
Auge das heilige Land erblickt und die Erde, die man so
verehrend preist. Mir ist geworden, worum ich immer gebeten
habe, ich bin an die Stätte gekommen, da Gott in menschlicher
Gestalt wandelte.
Schöne
Lande, reich und herrlich, wie viele von ihnen auch ich
gesehen habe, du bist doch ihrer aller Krone! Welch Wunder ist
hier geschehen! Dass eine Jungfrau ein Kind gebar, Herr über
das Heer aller Engel, war das nicht das Wunder aller Wunder?
Hier
ließ er, der Reine, sich taufen, auf dass auch der Mensch
rein sei. Dann ließ er sich verraten und binden, damit wir
Eigenleute frei würden, sonst wären wir verloren gewesen.
Dank dir, Lanze, Kreuz und Dornenkrone! Weh dir, Heidenschaft,
du empörst dich darob!
Von
hier fuhr der Sohn zur Hölle aus dem Grab, in dem er gelegen
hatte. Dabei war immer der Vater sein Gefährte und der Geist,
den niemand sonderlich scheiden kann: es ist ganz eines glatt
und ebener als ein Pfeilschaft, so wie er Abraham erschien.
Als
er den Teufel dann so zu Schanden gemacht hatte - besser als
je ein Kaiser gekämpft hat - kam er zurück auf die Erde. Da
geschah, was die Juden schmerzte: dass er, der Herr, ihre
Bewachung brach und man ihn seither als Lebenden erblickte,
den ihre Hand geschlagen und gestochen hatte.
In
dieses Land hat er anberaumt den Tag des letzten Gerichtes, da
die Witwe gerächt wird und die Waisen Klage erheben können
und die Armen wider die Gewalt, die sich an ihnen auslässt.
Wohl ihm dort, der in diesem Leben seine Schuld beglichen hat!
Christen,
Juden und Heiden behaupten, dies sei ihr Erbland. Gott möge
es rechtlich schlichten im Namen seiner Dreieinigkeit. Die
ganze Welt macht ihre Ansprüche hierher geltend. Wir allein
verlangen es rechtens. Gerecht ist, dass er uns stattgibt.
http://www.ni.schule.de/~pohl/literatur/sadl/ma/walther.htm
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